Schön war’s

Der Sommer hat sich noch nicht ganz verabschiedet, aber für viele ist der Alltag bereits wieder da. Wer Geld und einen freundlichen Arbeitgeber hat, der konnte Sommerpause machen – Pause von Arbeit, Großstadtlärm und der gesamten Hektik des Jahres. Die deutsche Sprache kennt Komposita zu Pause von A bis Z.

Julia Larina

Julia Larina

Von Lucia Geis

In der Musik gehört die Pause existentiell dazu. Ohne Pause wäre keine Komposition denkbar, denn erst aus der Stille erhält der Ton seine Kraft, erst im Verstummen des einen Instruments erstrahlt das andere. Ein pausenloses Agieren aller Stimmen in einem Orchester ergäbe ein spannungsloses Chaos.

Dass auf Wirkung zielende Pausen Kunstpausen heißen, ist verwirrend.

Ganz davon abgesehen bedürfen alle Bläser der Atempause, wenn sie nicht in Ohnmacht fallen wollen. Sind alle Instrumente still, spricht man von einer Generalpause. Die hat nichts mit Generälen zu tun, die allenfalls während einer Waffenpause pausieren.

Bevor Kinder in die Schule kommen, kennen sie keine Pause. Ihr Dasein ist ein Fluss, eine Spielpause wäre absurd. Mit dem ersten Schultag und dem Pausenklingelzeichen tritt sie jedoch in das Leben eines jeden. Ausgelöst durch ein Signal stürmen hunderte Kinder johlend ins Freie, raus aus dem stickigen Klassenzimmer auf den Schulhof. Die Schulpause wird zur ersten Erfahrung des Unterschieds zwischen Reglementierung und Freiheit. Mancher Lehrer, der Pausenaufsicht hat, verflucht diese Viertelstunde wegen ihrer Unberechenbarkeit, die nach Gefahr riecht. Nicht zufällig streben Diktatoren die lückenlose Organisation des Lebens ihrer Untertanen an.

Das frühkindliche Ereignis wird zur Blaupause, zur Matrix aller späteren Pausen, mit ihrem bisschen Anarchie in einer fremdbestimmten Lebens- und Arbeitswelt. Das Wort Blaupause geht auf die blaue Farbe des Durchschlag- oder Pauspapiers zurück, das man benutzte, um Kopien zu erstellen, bevor es Fotokopierer gab. Kinder benutzen das Verb “durchpausen”, wenn sie mit Hilfe von Butterbrotpapier, in das eigentlich das Pausenbrot eingewickelt werden soll, ihre Lieblingsbilder kopieren.

Einen Moment ersehnter Stille stellt für alle Nachtarbeiter und Nicht-Frühaufsteher die Frühstückspause von Handwerkern und allen mit lärmenden Maschinen Arbeitenden dar, die so früh mit Presslufthammer und Kettensäge ans Werk gehen, dass das häusliche Frühstück ausfällt. Nachdem sie dann alle Schlafenden pünktlich um 7 Uhr geweckt haben, tritt Stille ein, wenn sie sich eine halbe Stunde später mit Thermoskannenkaffee erholen, und die Geweckten sich beim ersten Kaffee fragen, warum sich dieser Rhythmus nicht einfach umkehren lässt.

Die Mittagspause – in der deutschsprachigen Schweiz ein heiliges, gesamtgesellschaftliches Ritual – ist in Deutschland eine hektische Unterbrechung im hektischen Tagesablauf: Entweder rennt man zu irgendeinem Imbiss oder in die betriebseigene Kantine. Auf dem Weg dorthin raunen einem Kollegen “Mahlzeit” entgegen, damit man ja nicht vergisst, dass diese Pause eine Funktion hat: Es gilt, sich für die zweite Halbzeit zu stärken. Mit der ursprünglichen Bedeutung des Lateinischen “pausare” als “ruhen” oder dem Griechischen “pausis” als “Stillstand” hat das nicht mehr viel gemein.

Einzig die Zigarettenpause bot, bevor das Rauchen in öffentlichen Räumen verboten wurde, einen Freiraum, in dem die Erinnerung an die Pausen der Kindheit Platz fand. Sogar Fließbandarbeitern gestand man diese zu, Nichtraucher mussten dagegen Ausreden erfinden, um alle zwei Stunden für einen Moment abschalten (das Wort zeigt schon, dass der Mensch eine Maschine ist) und über ihre Motorik frei entscheiden zu dürfen.

Auch die Sendepause in ihrer ursprünglichen Bedeutung ist dem Wunsch und Wahn, immer informiert sein zu wollen oder zu müssen, zum Opfer gefallen. Bis 1994 gab es sie im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen, bis Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre auch bei den meisten Radiosendern. Die Westberliner-Sendelücke wurde von der DDR genutzt, indem sie den Klassenfeind mit Sendungen von Radio Moskau versorgte. Nach dem Mauerbau war damit Schluss. Heute spricht man sarkastisch von Sendepause, wenn der Kontakt zwischen Freunden aufgrund eines Streits abgebrochen ist, aber noch Hoffnung auf eine Wiederaufnahme besteht.

Pausen gibt es somit immer weniger. Und wenn, dann entstehen sie oftmals aus einem Zwang heraus. Für Hochleistungssportler kommt die Zwangspause – wie der Name schon sagt – einer Katastrophe gleich: Verletzungs- oder dopingbedingt (darüber wissen Russen vermutlich zurzeit mehr als andere) müssen sie pausieren. Wie jedoch aus Zwang Freiheit entsteht, zeigte eine englische Umfrage, die herausfand, warum Menschen lieber jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit im Stau stehen als mit einem kostenlosen Ticket öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Vor allem Frauen antworteten, diese Zeit sei ihre einzige Pause. Nicht von Zwang war da die Rede, sondern von Freiheit. In ihrem Auto könnten sie für einmal unbeobachtet machen, was sie wollten.

Die Düsseldorfer Band “Fehlfarben” – Nachfolgeband der Punkband “Mittagspause” – sang 1980 “Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran” und kritisierte damit das gedankenlose Vorwärtsstreben, egal wohin und wozu. Vielleicht hat die Sommerpause einige auf andere Gedanken gebracht, und sei es nur dadurch, dass es beim Erklimmen eines Berges möglich war, ohne schlechtes Gewissen oder Angst im Nacken eine Verschnaufpause einzulegen. Oder einfach nur stillzustehen. Oder endlich das zu tun, was man tun will.

Aufgaben

1. Was bedeutet in dem Satz
“…damit man ja nicht vergisst, dass diese Pause eine Funktion hat” das Wort “ja”?
2. Im Text gibt es viele Komposita mit “Pause” im zweiten Teil. “Pausenbrot” funktioniert umgekehrt. Finden Sie weitere.

 

 

 

 

Lösungen

1. Auf keinen Fall. 2. Pausenclown, Pausenfüller, Pausenhalle, Pausenhof, Pausenzeichen.

 
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